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Texte

Eine Auswahl von Texten, die im Lauf des Jahres in schwedischen und ausländischen Medien veröffentlicht wurden.

Wenn Glaube zu Wahrheit wird
Glaube ist Glaube und nichts anderes als Glaube – unabhängig davon, wie groß er sein mag und wie weit er an Gewissheit grenzt. Mehr»

Wo bleibt die Menschenliebe, wenn religiöse Doktrinen zu Wahrheiten werden? Ist es nicht fürchterlich, dass Glaube zu Wahrheit wird? Alle religiösen Wahrheitsansprüche enthalten einen Keim von Intoleranz und Gewalt. Wahrheitsansprüche können Gläubige dazu bringen, einen Stein aufzuheben und auf denjenigen zu werfen, der nicht den rechten Glauben besitzt.

Wer trägt die äußerste Verantwortung für all das Elend, das im Namen der Religionen verursacht wurde? Antwort: Die religiösen Führer, die nicht den Mut haben, über das Bedürfnis nach Demut gegenüber unterschiedlichen Glaubensauffassungen der Menschen zu sprechen. Wenn Priester, Imame und Rabbiner ein heiliges Wort oder Sakrament zur alleinherrschenden moralischen Richtschnur werden lassen, haben sie in ihrer religiösen Überzeugung vergessen, dass sich Moral nicht messen lässt. Moral ist nämlich ein Gespräch zwischen Individuen. Sie soll Menschen verbinden und uns eine Welt geben, in der wir zusammenleben können. Wenn sie zum Singular wird – zu einer einzigen Wahrheit –, ist ein »Wir und die« entstanden. Und am Ende wirft man den Stein auf denjenigen, der nicht denselben Glauben hat.

Glaube ist Glaube und nichts anderes als Glaube – unabhängig davon, wie groß er sein mag und wie weit er an Gewissheit grenzt. Glaube kann nie Wissen sein. Wie sollte man den einen Glauben beweisen können? Wie sollten zwei begabte Menschen mit diametral entgegengesetzten Doktrinen einander bezüglich einer Frage überzeugen können, die weder gemessen noch gewogen werden kann? Wer kann, ohne seiner Vernunft Gewalt anzutun, sagen: »Ich besitze die Wahrheit über Gott und darüber, welche Schrift die heiligste ist.« Wenn religiöse Führer es unterlassen, die Grenzen des Glaubens deutlich zu markieren, sind gottesfürchtige Worte und Sakramente wichtiger geworden als Menschenliebe.

Die Maschine
Die Maschine hat ihr eigenes Leben. Stark steht sie da und wird von einem MUSS angetrieben, das wir ihr einst gaben. Mehr»

Im Park spielen einige Kinder. Sie hüpfen, schwenken die Arme als wären sie Windmühlen, und ich höre, wie sie lachen. So habe ich früher auch gespielt. Aber das ist lange her. So lange, dass ich mich kaum daran erinnere. Denn als Kind wird man langsam in die Welt der Erwachsenen eingeweiht. Es geht nur in eine Richtung: vom Kind zum Erwachsenen, von lebhafter Fantasie zu steifer Neunmalklugheit, von federleichter Unschuld zu erfahrungsschwerer Ernsthaftigkeit. Ja, wo zum Teufel ist die Fantasie geblieben?

Der Rebell in uns ist gezähmt. Der Gehorsam hat dessen Platz eingenommen. Wir versuchen zu protestieren. Aber es lohnt sich nicht. Gehorsam ist schließlich wesentlicher Bestandteil der monströsen Maschine, die wir Menschen selbst gebaut haben. Eine Maschine, die uns wohlgesinnt war und mit der Zeit so erhöht wurde, dass sie unantastbar heilig schien. Aber wodurch unterscheiden sich die Tage nun voneinander, da die Routine der Preis ist, den wir für die Wartung der Maschine bezahlen? Und was geschieht mit uns an dem Tag, da wir uns die Frage stellen: Wo zum Teufel ist die Freude geblieben?

Wie sollen wir die Maschine überschauen können, wo wir doch immer eindimensionaler werden? Wie soll ich einen ganzen Gedanken denken können, ohne vom ewigen Getöse der Maschine gestört zu werden? Und wie soll mein Ich mein Ich bleiben, wo doch die Maschine dabei ist, langsam in mich einzudringen? Denn die Maschine schwillt. Sie schwillt und schwillt, weil sie mir wohlgesinnt ist. Ja, angeblich ist mir die Maschine wohlgesinnt … und morgen werde ich mich noch besser fühlen. Am Ende aber schreie ich: Wo zum Teufel ist der Sinn unseres Lebens geblieben?

Die Maschine hat ihr eigenes Leben. Stark steht sie da und wird von einem MUSS angetrieben, das wir ihr einst gaben. Die Kosten müssen verringert werden. Die Anzahl der Mitarbeiter muss reduziert werden. Der Gewinn muss gesteigert werden. Die Steuer muss gesenkt werden. Die Privatisierung muss vorangetrieben werden. Die Solidarität muss umdefiniert werden. Die Liebe muss materialisiert werden. Das Leben muss kommerzialisiert werden. Und wer »Wo zum Teufel« ruft, muss zum Schweigen gebracht werden.

Metaphysische Größen
Wenn ein Kind stirbt, ist die Vernunft meistens ratlos. Mehr»

Der Teufel ist abgeschrieben. Er hat aufgehört zu faszinieren. Ist nicht mehr erwünscht. Ins Gestern befördert. Verbraucht. Da der Mensch aufgeklärt ist, kann ihm der Teufel nicht mehr dienen. Gott hingegen erfüllt einen Zweck. Jedenfalls noch, sagen gewisse Leute.

Allerdings ist es so, dass das eben Geschriebene nicht richtig stimmt. Hat es sich denn nicht gezeigt, dass der Mensch zuweilen seine metaphysischen Antagonisten braucht? Braucht er sie nicht, um zu begreifen, was nicht begriffen werden kann? Und bitte, was geschieht, wenn sich die Vernunft die Phrase vormacht »Worüber wir nicht reden können, darüber müssen wir schweigen«? Bleibt das, was die Vernunft nicht begreifen kann, dann nicht unbegreiflich? Und was bedeutet das?

Wenn ein Kind stirbt, ist die Vernunft meistens ratlos. Sie ringt ängstlich die Hände und senkt ihren Blick. Wortlos steht sie mit ihrer Neunmalklugheit da. Und im Stillen wiederholt sie sich immer wieder wie ein Mantra, dass wir schweigen müssen, worüber wir nicht reden können.

Wir müssen über vieles schweigen, wenn wir die Vernunft in ihren Ansprüchen schwellen lassen. Vergessen wir nicht, dass eine Handlung, die von grenzenloser Liebe erfüllt ist, stets zweifelhaft sein wird. Warum? Weil der Sprachgebrauch, den die Vernunft gebietet, solche Liebe nie ganz erklären wird. Sogar liebliche Geigentöne werden als verdächtig betrachtet werden, da sie sich nicht mit den sterilen Pinzetten des Intellekts analysieren lassen. Wie war es noch gleich? Worüber wir nicht reden können, darüber müssen wir schweigen.

Einige meinen, Gott und Teufel seien nichts als Fantasiegeburten. Und vermutlich ist es so. Aber es sind großartige Fantasiegeburten, die gestaltet haben, was wir Menschen seit Jahrtausenden nicht begreifen können. Handlungen und Geschehnisse, die so groß und liebevoll sind, dass wir keine Worte dafür finden können, so entsetzlich, dass unsere Vernunft am Ende davor zusammengebrochen ist.

Abermals: So lange sich die Vernunft die Phrase vormacht »Worüber wir nicht reden können, darüber müssen wir schweigen«, wird das, was für sie unbegreiflich ist, unbegreiflich bleiben. Und gegenüber demjenigen, was die Vernunft nicht in Worte kleiden kann, müssen wir uns möglicherweise mit demjenigen zufrieden geben, was das Unbegreifliche begreiflich zu machen vermag. Oder zumindest, um mit Willy Kyrklund zu sprechen, die Frage suchen, auf die das Menschenleben eine Antwort ist.

Das Ich
Wohin ist eigentlich das Ich unterwegs, das durch sein grandioses Projekt der Vervollkommnung erblindet ist? Mehr»

Das erhabene Ich ist heute eine selbstverständliche Realität in unseren Gedankengängen. Ein unwiderrufliches Axiom, das überall seine Spuren hinterlässt. Und das Ich mit seiner unverschämten Kraft ist reich belohnt worden. Man kann es nicht mehr wegverhandeln oder durch ein suspektes Nicht-Ich ersetzen. Es stimmt, das Ich ist so weit angeschwollen, dass es die Bedingungen für unser Verhältnis gegenüber der Welt diktiert. Es ist unmöglich geworden, etwas zu definieren, ohne dem Ich ausreichend Platz innerhalb desjenigen einzuräumen, was definiert werden soll. Es ist hoffnungslos, die Grenzen des Ichs festzusetzen, denn von Grenzen versteht es nichts.

Das Ich sieht sich selbst nicht mehr nur in spiegelblanken Wasserflächen, sondern in allem, worüber es Macht hat. Man sollte nicht glauben, dass das Ich in seiner Egozentrik eines Tages untergehen oder, wie es im Mythos heißt, in eine Narzisse verwandelt werden wird. Nein, Mythen und Weisheiten sind nichts für das Ich. Es pfeift völlig auf Hindernisse, die sich ihm und seinem Willen nach Wachstum und Herrschaft in den Weg stellen. Selbstverwirklichung, dieses großartige Projekt, ist sein gepriesenes Ziel. Denn das Ich glaubt in seiner Einbildung, dass alles fantastisch wird, wenn es erst sein Ziel erreicht hat.

Man sollte nicht vergessen, dass sich das Ich für geschickt, schlagfertig und – nicht zuletzt – erfolgreich hält. Das heißt: modern in seiner beschränktesten Bedeutung. Das Ich ist so modern geworden, dass es nicht erkennt, dass es im Begriff ist, seine eigene Geschichte zu vergessen. Und vielleicht muss das so sein? Denn Vergangenheit hemmt. Sie ermahnt das Ich zum Nachdenken. Sie bittet um Besinnung. Aber solches Gerede will das Ich nicht hören. Das Ich will durch nichts gebunden sein. Freiheit ist seine Parole, sein Schlagwort, sein Leitstern.

Wohin führt das Ich in seiner blendenden Eigenliebe? Eine Liebe, die es dazu gebracht hat, überheblich zu werden. Eine Liebe, die sein Gedächtnis verdunkelt hat, weil auch das Gedächtnis das Fortschreiten des Ichs fesselt. Vergessen ist Homers Epos von der Hybris, die Odysseus zehn Jahre Irrfahrten auf dem Meer kostete. Vergessen ist auch die Erzählung vom beflügelten Ikaros. Ganz zu schweigen von Doktor Frankenstein.

Wohin ist eigentlich das Ich unterwegs, das durch sein grandioses Projekt der Vervollkommnung erblindet ist? Das Ich, das in seiner unverblümten Eigenliebe so unermesslich einsam ist. Das Ich, das Sklave seines eigenen gepriesenen Ziels ist. Dessen Leitstern nicht Freiheit, sondern Lüge ist. Und wenn es das Ich erkennt, ist es vielleicht bereits zu spät.

Warum?
Wer sein Warum formulieren kann, hat daher auch Macht. Mehr»

Es gibt Wörter, die das Gegebene über den Haufen werfen und den Grund vernichten, auf dem fixe Ideen, Dogmen und akzeptierte Wahrheiten ruhen. Das Wort Warum ist ein solches. Vermutlich das Wort, dem ein Mensch, der sich entschieden hat, über das Dasein zu reflektieren, die höchste Achtung entgegenbringt. Ein Wort, das Gespräche eröffnet. Nicht wahr, es liegt etwas Unerbittliches, Appellierendes in diesem Wort mit fünf Buchstaben. Es ist kein Wort, das man einfach beiseite schiebt. Es fordert eine Antwort, will, wie jedes Wort, ernst genommen werden.

Im Grunde genommen handelt das Wort Warum von Würde. Vom Recht, wissen zu dürfen. Sich nicht damit zufriedenzugeben, blind zu akzeptieren, was ein Anderer sagt. Sich selbst eine Auffassung darüber bilden zu dürfen, was richtig und was falsch ist. Sich von niemandem unkritisch die Welt beschreiben zu lassen. Für denjenigen, der zu wissen verlangt, wird das Wort Warum zu einem der geschliffensten intellektuellen Instrumente, die es im Werkzeugkasten eines denkenden Menschen gibt.

Warum ist dieses Wort so wichtig? Oder eher: Warum ist es so problematisch? Das hängt nicht selten damit zusammen, dass es eine Ordnung durcheinanderbringt. Eine Ordnung, die andere aufgestellt haben. Denn wer Macht hat, will Ordnung. Seine Ordnung. Und wenn die Macht allzu wissbegierige Gedanken zulässt, kann sich die Ordnung in ein einziges Durcheinander verwandeln. Vor allem wenn es sich um Gedanken handelt, die eben mit dem Wort Warum beginnen. Gerade deshalb erscheint der Macht dieses Wort so unzuverlässig und zweifelhaft. Verbum non gratum.

Wer sein Warum formulieren kann, hat daher auch Macht. Man hält sich für frei, wenn man sich physisch von Ort zu Ort bewegen kann. Das stimmt. Sicher ist das eine Form von Freiheit. Eine andere Freiheit ist es, wenn sich auch die Gedanken frei bewegen können. Vielleicht ist das die höchste Form von Freiheit, denn Gedanken vermögen Kräfte in Bewegung zu setzen. Kräfte, die die schwersten eisernen Standbilder stürzen können, die je auf dieser Welt errichtet wurden. Man braucht nur in die Geschichtsbücher zu schauen.

In gewissen Ländern ist das Wort Warum verboten. Wer es ausspricht, bekommt Probleme, gerät in Schwierigkeiten, wird bestraft. Denn wer in solchen Ländern die Frage Warum stellt, ist ein Aufrührer. Ein Unruhestifter, der zum Schweigen gebracht werden muss. Jemand, der die Ordnung durcheinanderbringt. Die Ordnung, die für diejenigen so wichtig ist, die weiterhin dominieren, steuern und über die Gedanken anderer herrschen wollen. Denn die Macht weiß und hat immer gewusst, dass ein Gedanke, der mit dem Wort Warum beginnt, alles Gegebene über den Haufen werfen kann.